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Marketing und Kommunikation: Wann und warum Kunden sich für KI-Funktionen interessieren

Die Untersuchung von Irrational Labs unter der Leitung von Kristen Berman wirft eine entscheidende Frage auf: Welchen Einfluss hat die explizite Kennzeichnung eines Produkts als “KI-gestützt” auf dessen Wahrnehmung durch potenzielle Kundinnen und Kunden? Die Ergebnisse stellen eine weit verbreitete Annahme infrage, nämlich dass die Betonung von Künstlicher Intelligenz automatisch zu einer höheren Wertschätzung oder Zahlungsbereitschaft führt.


Die Studie basiert auf einem Experiment mit 767 Software-Nutzerinnen und -Nutzern, denen Marketing-Landingpages für verschiedene Produkte gezeigt wurden. In der einen Variante wurde explizit darauf hingewiesen, dass es sich um ein KI-gestütztes Produkt handelt, in der anderen nicht. Die Ergebnisse sind aufschlussreich: Die bloße Erwähnung von KI in der Produktbeschreibung führt nicht zu einer höheren wahrgenommenen Leistungsfähigkeit, steigert nicht die Vertrauenswürdigkeit und rechtfertigt keinen höheren Preis. Im Gegenteil, in vielen Fällen reduzierte die Erwähnung von “generativer KI” sogar die Erwartungen an die Produktleistung – möglicherweise aufgrund enttäuschender Erfahrungen mit überhypedten KI-Anwendungen.


Interessanterweise wurde jedoch ein Ausnahmefall beobachtet: Das Produkt “Superhuman” erhielt einen positiven Effekt durch die KI-Kennzeichnung. Dies deutet darauf hin, dass es Kontexte gibt, in denen der Bezug auf KI nützlich sein kann – beispielsweise, wenn der Name des Produkts durch die Erklärung mit KI verständlicher wird.


Diese Erkenntnisse haben weitreichende Implikationen für Unternehmen, die sich aktuell in einem Wettlauf um die beste Positionierung als KI-getriebenes Unternehmen befinden. Die übermäßige Nutzung des Begriffs “KI” im Marketing scheint nicht durch tatsächliche Kundenbedürfnisse, sondern vielmehr durch externe Erwartungen von Investoren, Analysten oder SEO-Optimierungen getrieben zu sein. Dies führt zu einer Diskrepanz zwischen interner Strategie und realen Marktreaktionen.


Für eine professionelle Herangehensweise an diese Erkenntnisse ergeben sich mehrere Konsequenzen. Unternehmen müssen sich stärker auf den tatsächlichen Nutzen ihrer Produkte konzentrieren, anstatt sich auf die technologische Grundlage als Verkaufsargument zu verlassen. Es zeigt sich, dass Kundinnen und Kunden vor allem an konkreten Ergebnissen interessiert sind, nicht an der Art der Technologie, die dahintersteckt. Erfolgreiches Marketing sollte daher weniger mit dem Label „KI-gestützt“ arbeiten und stattdessen den Fokus auf den Nutzen legen, den das Produkt bietet – sei es Zeitersparnis, Produktivitätssteigerung oder bessere Ergebnisse.


Zusätzlich sollten Unternehmen gezielt messen, ob eine KI-Erwähnung in ihrer spezifischen Zielgruppe positive oder negative Auswirkungen hat. Dies kann durch A/B-Tests oder Nutzerfeedback geschehen. Der Bericht empfiehlt zudem, Nutzerinnen und Nutzern zuerst die Funktion erleben zu lassen, bevor KI als technologische Basis explizit gemacht wird. Dies stärkt das Vertrauen und vermeidet voreingenommene Skepsis gegenüber KI.


Abschließend sollte hinterfragt werden, ob der eigene Marketing-Ansatz auf echter Nutzerorientierung basiert oder lediglich aus einem Innovationsdruck heraus entsteht. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen sich von oberflächlichem KI-Branding lösen und sich auf das konzentrieren, was Kunden wirklich überzeugt: Produkte, die ihr Leben oder ihre Arbeit messbar verbessern.


Was bedeutet das in der Praxis?


Ein typisches Szenario könnte folgendermaßen aussehen: Ein Software-Unternehmen entwickelt eine neue Funktion, die mithilfe generativer KI automatisch Berichte aus unstrukturierten Daten erstellt. Das Entwicklerteam ist begeistert von den technischen Möglichkeiten und die Marketingabteilung plant eine große Kampagne mit dem Slogan „Revolutionäre KI-gestützte Berichterstellung“. Die Annahme ist, dass die explizite Betonung von KI das Produkt attraktiver und innovativer erscheinen lässt. Doch nach den Erkenntnissen der Untersuchung von Irrational Labs könnte genau dieser Ansatz problematisch sein.


Eine bessere Strategie wäre, die Kommunikation nicht auf die Technologie, sondern auf den unmittelbaren Nutzen für die Nutzerinnen und Nutzer zu konzentrieren. Statt „KI-gestützte Berichterstellung“ könnte die Botschaft lauten: „Erhalten Sie in Sekunden präzise, leicht verständliche Berichte – ohne stundenlange Datenanalyse.“ In der Produktpräsentation könnte das Unternehmen konkret zeigen, wie sich die Funktion in bestehende Workflows einfügt, welche Zeitersparnis sie bietet und wie sie Fehler reduziert. Ein begleitender A/B-Test könnte helfen, die beste Formulierung zu finden. Erst wenn Nutzerinnen und Nutzer den Mehrwert der Funktion selbst erlebt haben, kann im Nachgang erklärt werden, dass dieser durch den Einsatz von KI ermöglicht wurde. Auf diese Weise wird die KI als Mittel zum Zweck vermittelt, ohne dass das Marketing an den Skeptiken und Erwartungen der Kundschaft vorbeikommuniziert.


Die positive Wahrnehmung von Co-Intelligence am Beispiel der positiven Bewertung von „Superhuman und KI“


Ich arbeite mit meinen Kunden und Kundinnen nach dem Konzept der Co-Intelligence zusammen. Co-Intelligence nach Ethan Mollick beschreibt die enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI, bei der beide ihre jeweiligen Stärken optimal nutzen: Der Mensch bringt Kreativität, strategisches Denken und ethische Entscheidungen ein, während die KI Geschwindigkeit, Mustererkennung und Datenverarbeitung liefert. Dieses Prinzip ermöglicht es, KI nicht nur als Werkzeug, sondern als echten Partner einzusetzen, der menschliche Fähigkeiten erweitert, anstatt sie zu ersetzen. Man kann Co-Intelligence nutzen, um Entscheidungsprozesse zu verbessern, kreative und analytische Aufgaben zu optimieren und effizienter mit großen Datenmengen zu arbeiten – immer mit dem Ziel, dass die KI den Menschen unterstützt, aber nicht dominiert.


Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Co-Intelligence-Prinzip und dem Effekt, der bei der Nennung von KI im Zusammenhang mit „Superhuman“ beobachtet wurde. Der Begriff „Superhuman“ suggeriert eine verstärkte, erweiterte menschliche Fähigkeit – also genau das, was Co-Intelligence anstrebt: eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI, bei der die Technologie die Stärken des Menschen ergänzt, ohne ihn zu ersetzen.

In der Studie wurde festgestellt, dass die explizite Erwähnung von KI in den meisten Fällen keine positiven Effekte hatte, außer bei „Superhuman“. Das liegt daran, dass hier die Nennung von KI nicht als abstrakte Technologie beworben wurde, sondern direkt mit der Vorstellung verbunden war, dass die Nutzer:innen durch den Einsatz von KI ihre eigenen Fähigkeiten auf ein neues Level heben. Das ist genau der Kern von Co-Intelligence: KI als Verstärker menschlicher Intelligenz, nicht als eigenständige, losgelöste Technologie.


Die positive Reaktion auf „Superhuman“ zeigt, dass Nutzer:innen bereit sind, KI zu akzeptieren, wenn sie als natürlicher, fast organischer Bestandteil ihrer eigenen Leistungsfähigkeit dargestellt wird. Dies entspricht der symbiotischen Logik der Co-Intelligence, in der die KI nicht als Verkaufsargument, sondern als stiller, aber effektiver Partner agiert, der Menschen ermöglicht, ihre Arbeit schneller, präziser oder kreativer zu erledigen.


Weitere Informationen über die Studie:


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